Slowenien

Ich bin mittlerweile in Italien, daraus folgt logisch dass ich in einem Cafe sitze und fantastischen Cappuccino trinke (proof by deduction). So sehr mich Italien schon voll in seinen Bann gezogen hat (Meer, Pizza, Mücken, Hitze), möchte ich ja doch noch etwas zu meinen Eindrücken von Slowenien schreiben, deshalb bin ich jetzt mal stehen geblieben um zu schreiben. Um noch mal kurz bei heute zu bleiben, der heutige morgen lief folgendermaßen: ich bin auf einer Wiese aufgewacht, musste irgendwie ohne von Mücken zerstochen zu werden Frühstück machen, dann bin ich losgefahren, um mich herum ab und zu dumpfe Schüsse hörend. Anscheinend haben Jäger dort heute Fasane gejagt, und ich bin froh, dass ich bei dieser Aktion kein einziges Leben verloren habe. (Es klingt auf jeden Fall dramatischer als es ist, denn sie haben „nur“ mit Schrot geschossen. Nein, es muss sich wirklich keiner Sorgen machen, ich schreibe es nur, weil es die Wahrheit ist. Das war der Morgen.). Tja, und das zweite „Highlight“ des heutigen morgens ist, dass ich, glaube ich, komplett 180° in die falsche Richtung gefahren bin, und nach diesem Cappuccino die 25km wieder zurück fahren werde, falls mir nicht noch irgendwas cleveres einfällt, was aber gut möglich ist. Ich hätte dem Bauern glauben sollen, dass das die falsche Richtung ist, aber ich habe mich nach der Sonne orientiert, und bin in die richtige Himmelsrichtung gefahren. Ich dachte mir noch so: Hallo, wem werde ich jetzt wohl glauben, einem Bauern oder der Sonne? Tja. Irgendwie dumm das Ganze.

Um noch ein bisschen bei meiner aktuellen Stimmung zu bleiben: das Reisen verändert einen schon sehr. Man macht sich am Tag über 1000 Dinge Gedanken, aber nie lange, und nie verkrampft. Die Gedanken ziehen an einem vorbei wie Wolken an einem Berg (das Bild ist nicht von mir, sondern von irgendeinem Meditationsbuch). Es ist wirklich so. Das einzige Thema, das zurzeit immer wiederkehrt, sind interessanterweise Himmelskörper und ihre Bewegungen: zu welcher Uhrzeit steht die Sonne genau im Süden? Hängt das vom Längengrad oder vom Breitengrad (oder beidem) der aktuellen Position ab? Und von der Jahreszeit? Anscheinend nicht von der Jahreszeit, dachte ich mir gestern, denn sonst würden Sonnenuhren ja nicht funktionieren. Wenn ich abends die Sterne wandern sehe, mache ich den Perspektiv-Wechsel, dass nicht die Sterne wandern, sondern wir uns drehen. Dasselbe mit der wandernden Sonne. Auch ist mir aufgefallen, was ja total logisch ist, dass wenn der Mond, wie zurzeit, zunehmend ist, er immer links von der Sonne ist. Das ist ja klar, aber war mir noch nie ins Bewusstsein gedrungen. Aber mehr als diese echten „Gedanken“ (ich mache mir manchmal auch Gedanken über Volt und Ampere und versuche das Phänomen Strom zu verstehen, ohne Erfolg) oder echte „Geschichten“ hat man auf so einer Reise vor allem Sinneseindrücke. Eigentlich müsste ich euch von Gerüchen, von Geräuschen, von Temperaturen, von meinem Körper, von Licht und Schatten, oder von Mini-Momenten erzählen. Man wird, so wirkt es, sensibler und zentrierter und ruhiger.

Also, Slowenien.

Die slowenische Sprache

An der slowenischen Grenze habe ich ein paar wichtige Worte im Internet rausgesucht: Guten Tag, Danke, Entschuldigung, Knoblauch. Damit war ich schon genügend ausgestattet, denn ansonsten hat mir mein Polnisch perfekt ausgeholfen: ich habe 90% der slowenischen Alltagsworte verstanden. Es ist wie polnisch, aber man muss viele „i“’s und Zischlaute weglassen: Pekarna statt Piekarnia, Pes statt Pies, Ne razumem statt Nie rozumie, Reka statt Rzeka, Kje je statt Gdzie jest, etc. Als der Bauern seine Herde Kühe auf mich losgelassen hat, und mir mir lachend geredet hat, habe ich alles verstanden, was ein ganz seltsames Gefühl ist: man weiß, dass man die Sprache nicht spricht und die Worte eigentlich nicht versteht, aber am Ende des Satzes weiß man, was gemeint wurde.

Die slowenische Landschaft

Leider habe ich die meiste Zeit von der Landschaft nichts gesehen, da sehr tief hängende Wolken jede Sicht versperrt haben. Die letzten eineinhalb Tage wurde das Wetter aber gut, und ich konnte ein sehr schönes, hügeliges Land sehen. Es ist, so würde ich es beschreiben, eine Märchenlandschaft: man kann sich richtig gut vorstellen, dass es in diesen Hügeln, Wäldern und Bergen Hexenhäuschen, Wölfe, Bären, Drachen, Ritter und Prinzessinnen leben. (Wölfe und Bären gibt es dort tatsächlich, aber ich habe ihre Bekanntschaft nicht gemacht.)

Ich habe außerdem immer darauf gewartet, dass ich die „mediterrane Klimagrenze“ überschreite, also dass sich irgendwann mehr oder weniger schlagartig Flora und Fauna ändern und ich von wildem Rosmarin, Thymian und Olivenbäumen umgeben bin. Diese Grenze scheint es allerdings hier nicht zu geben, und erst in Italien änderte sich langsam die Natur, zuerst in den Gärten, und langsam auch außerhalb der Gärten. Aber auch hier bei Venedig am Meer ist es noch weit weniger mediterran als zum Beispiel in Korsika oder Südfrankreich.

Die slowenischen Menschen

Sehr verschlossen. In Österreich hat mir jeder auf noch so umständliche Weise die Vorfahrt gegeben, hat mich strahlend gegrüßt, und jeder fragte, wohin die Reise ginge, da ich ja offensichtlich ein größeres Projekt verfolge, Imker haben mir ihren Honig geschenkt, etc. In Slowenien war die Stimmung eine krass andere: keiner grüßte mich, die Leute scheuten Blickkontakt, und wenn ich sie grüßte fühlten sie sich unwohl. Wenn mir Leute Vorfahrt gaben dachte ich mir immer: Ahja, da ist bestimmt ein Auto hinter mir, dem sie Vorfahrt geben, und so wars dann auch immer. Ich denke nicht, dass die Leute irgendwie sauer auf mich waren, nach dem Motto „Der Schnösel kann sich so ein Hirngespinst leisten, und ich nicht!“, oder dass dort so viele von meiner Sorte durchkommen, dass sie abgestumpft wären. Nein, es scheint so, als wäre jemand wie ich einfach ein Sonderling, mit dem man am besten nichts zu tun haben will. Der Chris, der Engländer der mir das Fahrradfahren nahegebracht hat, hat mir mal über Radfahren in Afrika gesagt: „As a cyclist, your life is as much worth as the life of a donkey“. Daran musste ich manchmal denken, wenn die Leute mir einfach keine Vorfahrt gegeben haben, als wäre ich unsichtbar. Hingegen muss ich sehr positiv bemerken, dass beim Überholen alle Leute sehr großen Abstand zu mir gehalten haben, was sehr angenehm war. Drei Leute waren spontan auf der Straße nett zu mir (in Gesprächen, wenn man sich kennenlernt, waren eigentlich alle ganz nett): eine Gruppe Österreicher, ein altes Ehepaar (vermutlich auch Österreicher), und zwei Männer in einem Lieferwagen, die abgebremst sind, um mir dann mit Daumen und ausgestreckten Fäusten zuzujubeln. Das hat vielleicht meine Stimmung gehoben! Wir sollten alle viel netter zueinander sein, solche Komplimente wirken! Ich erinnere mich, und werde mich immer dran erinnern, wie ich von Tübingen nach Mailand gewandert bin, und bei Mailand wandere ich zwischen Feldern an einem Baum an zwei Männern vorbei, und ohne mich zu fragen, wohin ich gehe oder woher ich komme, fingen sie einfach nur an zu klatschen und riefen „Bravo!“. Das war ein Magic Moment. Mehr davon!

Die slowenische Küche

…kenne ich nicht, aber folgendes ist ganz interessant: Slowenien hat voll die Döner-Kultur! In jedem Ort gab es mindestens eine viel besuchte Dönerbude, und die drei Döner, die ich gegessen habe schmeckten alle hervorragend. Aber das Interessante ist hier sprachlicher Art: in Österreich sagt man nicht „Döner“, sondern „Kebab“. In Slowenien aber heißt es „Kebab Döner“, und zwar mit „ö“ geschrieben, einem Buchstaben, den es im slowenischen nicht gibt. Es ist also ein echtes deutsches Fremdwort. Da musste ich dran denken, dass vielleicht in ein paar Jahren Döner ein typisch deutscher Kulturexportschlager wie Sauerkraut, Mercedes oder Oktoberfest sein wird.

Es gibt natürlich noch viel mehr zu erzählen, kleine Kleinigkeiten. Ein schöner Moment war zum Beispiel in einer Bar, wo ich nach einem Döner fragen wollte. Ich kam rein, und hörte ein Lachen, wie es eigentlich nicht in der Realität vorkommt, sondern in einem surrealen Film oder in einem Roman oder so: ein ganz seltsames, regelmäßiges, hohes Gackern. Ich schaue mich um, und es kommt von einem alten Mann, offensichtlich Alkoholiker, der ein bisschen aussieht wie ein Zwerg. Ich frage also die Bedienung nach einem Imbiss, und sie sagt, ein Gast wird mich dorthin führen. Wie es der Zufall so will, ging sie natürlich genau zu dem Gackerer, und er kommt zu mir, sagt auf Deutsch „ich zeige es ihnen, einen Moment, 5 Minuten, ok?“ Und ich sage natürlich ok, und er verschwindet von der Terrasse nach innen… und kommt im nächsten Moment mit einem halben Liter Bier in seiner vollen Pracht mit Schaumkrone und allem drum und dran heraus, und kippt es sich noch in 5 Minuten runter bevor er mit mir losstiefelt. Als er mit dem vollen Bier rauskam konnte ich nicht anders als laut lachen, und alle lachten mit.

Ich könnte auch die Geschichte von dem Reisebus erzählen, der morgens um 8 am Straßenrand Pause machte, um für die Insassen ein kleines Frühstück zu ermöglichen. Was gabs? Brötchen, Wurst, Äpfel, und DOSENBIER. Alkoholismus ist schon krass in Slowenien, so schien es auf mich.

Alles in allem kann ich also sagen, dass, aufgrund meiner guten Stimmung dort und meines friedliebenden Charakters, mir Slowenien in guter Erinnerung bleiben wird, wenn ich auch die schöne Landschaft nur erahnen kann, und der Rest des Landes ein bisschen trashig rüberkam. Jetzt bin ich in Italien angekommen, und fahre an der Küste nach San Marino, wo ich dann über die Appenninen rüber will, nach Siena, durch die Toskana und dann wieder hoch nach Genua. Für heute ist angepeilt, wenn ich den richtigen Weg finden sollte, auf der Meeresseite an Venedig vorbeizufahren, auf diesen schmalen Landstreifen. Mal sehen, ob das hinhaut.

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